Armenhaus Großmilkau
Detailinformationen
Die bisher älteste gefundene Aufzeichnung zu diesem Haus, das der Gemeinde gehörte, befindet sich im Hauptstaatsarchiv Dresden als „Quatembersteuerkataster des Dorfs Großmilkau vom Jahre 1748“. Hier wird es als das „Gemeinde Hirtenhaus, welches iedes mahligen Gemeindehirten zur Wohnung eingeräumet, derselbe aber alter hergebrachter Gewohnheit nach zum Quatember-Beitrage nicht gezogen wird.“ genannt.
1774 zählten Groß- und Kleinmilkau laut eines Verzeichnisses der Kreishauptmannschaft Leipzig zu den sieben ärmsten Ortschaften des Amtes Rochlitz.
1785 wurde das “Gemeinde- oder Hirtenhaus” im Brandkataster der zum Rittergut Großmilkau gehörigen Ortschaften unter Nr. 22 und mit einer Brandversicherungssumme von 25 Reichstalern angegeben. Als “Gemeinde-Armenhaus” ist es 1799 in der Beilage zum Meilenblatt von Sachsen bezeichnet worden.
In einem Brief aus dem Jahr 1834 beschwerte sich die Armenhaus-Bewohnerin Eva Rosina Köpping bei der Amtshauptmannschaft Rochlitz über die dortigen Zustände. Das Gebäude sei klein, ungeräumig und voller Menschen. Bei einer Inspektion wurde festgestellt, dass in dem Haus zwei Stuben vorhanden waren, wobei in einer bereits 4 Erwachsene und 8 Kinder und in der anderen 4 Erwachsene und 4 Kinder untergebracht waren. Da die Gemeinde keine andere Wohnmöglichkeit anbieten konnte, zog Eva Rosina Köpping in das Armenhaus als Bewohnerin Nr. 21! Aus dem Großmilkauer Kirchenbuch erfährt man, dass sie 1837 im Alter von 54 Jahren starb.
Das Gebäude wurde bis etwa 1900 als „Armenhaus“ bezeichnet, danach als „Gemeindehaus“.
Chronik des Gebäudes
um 1823 | Neuaufbau eines Giebels Bestätigung des Alters eines Deckenbalkens im Obergeschoss durch dendrochronologische Untersuchung: Winterfällung 1822/23 |
1874 | Genehmigung zum Einbau einer Esse |
1920 | Beantragung der Installation von elektrischem Licht durch die Mieter Böttcher; Ablehnung durch den Gemeinderat „in Rücksicht auf den minderwertigen baulichen Zustand des Hauses“ |
1922 | erneuter Antrag wegen des elektrischen Lichts; Bewilligung von drei Brennstellen durch den Gemeinderat |
1923 | Mietfestsetzung Gemeindehaus auf 2.500 Mark und Zins für Nutzung des Gemeindebrunnens bei 300 Mark jährlich |
1948 | Gemeinde genehmigt, dass Mieter Paul Böttcher den Rasenplatz vor dem Haus auf eigene Kosten einzäunen darf |
1962 | Verkauf des Gebäudes durch die Gemeinde Milkau an Herbert Böttcher; Grundstück bleibt Volkseigentum |
1965 | Baugenehmigung für den Anbau eines Geräte- und Abstellraumes an das Wohnhaus |
1965/66 | Ausbau und Umbau des Hauses (neue Fenster, Entfernung des Fachwerks) |
1966 | Verleihung eines unentgeltlichen und unbefristeten Nutzungsrechts für das volkseigene Grundstück |
1982 | neuer Dachstuhl |
1992 | Einbau einer Nachtspeicherheizung |
1993 | Verkauf des Grund und Bodens von der Gemeinde Milkau an Herbert und Luise Böttcher |
1997 | Verkauf von Haus und Grundstück durch die Erbengemeinschaft Böttcher an heutige Eigentümer |
1997-99 | Modernisierungsmaßnahmen (Elektrik, Fliesen, Treppe, Heizungserweiterung |
2009 | Einbau von neuen Fenstern und neuer Haustür; Dachneueindeckung; Solaranlage zur Warmwasserbereitung; Wärmedämmung |
Kurioses
Bei unseren Umbau- und Modernisierungsarbeiten fanden wir bisher insgesamt 6 Briefe, die Herbert Böttcher in Haus und Garten für die „Nachfolger“ im Zeitraum 1966 bis 1993 hinterlassen hatte. Er berichtete darin über stattgefundene Baumaßnahmen im und am Haus, über seine Familie und die weltpolitische Lage. Meist lagen den Briefen Fotos, Münzen und andere kleine Dinge bei. Je nach Aufbewahrungsort (z.B. auf Zimmerdeckenbalken oder unter Küchendielen in feuchtem Erdloch) waren die Briefe in mehr oder weniger gutem Zustand, aber alle noch lesbar.
So haben wir als heutige Bewohner des ehemaligen Armenhauses das Gefühl, dass uns Herbert und Luise Böttcher auch ein wenig an ihrem Leben teilnehmen ließen, obwohl wir uns leider nie trafen.
Familie Wittke
Quellen
Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20105 Gerichtsamt Rochlitz, Amtshauptmannschaft Rochlitz, Nr. 1112
Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20005 Ältere Amtshauptmannschaften des Leipziger Kreises, Nr. 1319, 1385
Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20403 Rittergut Großmilkau (Patrimonialgericht), Nr. 095
Kreisarchiv Mittelsachsen, Standort Wechselburg, Waldstr. 2, 09306 Wechselburg, Bestand Bauakten
Staatsarchiv Dresden, Bestand 10040 Obersteuerkollegium, Rep. IVb, 1345