Armenhaus Großmilkau

Kurzinfo

Ehemaliges Armenhaus von Großmilkau

Das frühere Fachwerkhaus gehörte bis 1962 der Gemeinde. Bereits vor 1800 wurde es als Armenhaus betrieben. 1834 waren hier nachweislich 21 gleichzeitig in zwei Stuben untergebracht, darunter zwölf Kinder.

Detailinformationen

Bereits 1774 zählten Groß- und Kleinmilkau laut eines Verzeichnisses der Kreishauptmannschaft Leipzig zu den sieben ärmsten Ortschaften des Amtes Rochlitz.

1785 wurde das „Gemeinde- oder Hirtenhaus“ im Brandkataster der zum Rittergut Großmilkau gehörigen Ortschaften unter Nr. 22 und mit einer Brandversicherungssumme von 25 Reichstalern angegeben. Als „Gemeinde-Armenhaus“ ist es 1799 in der Beilage zum Meilenblatt von Sachsen bezeichnet worden.

In einem Brief aus dem Jahr 1834 beschwerte sich die Armenhaus-Bewohnerin Eva Rosina Köpping bei der Amtshauptmannschaft Rochlitz über die dortigen Zustände. Das Gebäude sei klein, ungeräumig und voller Menschen. Bei einer Inspektion wurde festgestellt, dass in dem Haus zwei Stuben vorhanden waren, wobei in einer bereits 4 Erwachsene und 8 Kinder und in der anderen 4 Erwachsene und 4 Kinder untergebracht waren. Da die Gemeinde keine andere Wohnmöglichkeit anbieten konnte, zog Eva Rosina Köpping in das Armenhaus als Bewohnerin Nr. 21! Aus dem Großmilkauer Kirchenbuch erfährt man, dass sie 1837 im Alter von 54 Jahren starb.

Das Gebäude wurde bis etwa 1900 als „Armenhaus“ bezeichnet, danach als „Gemeindehaus“.

Meilenblatt Sachsen 1799 mit Markierung des Armenhauses (Quelle: Meilenblatt 138 df_dk_0002138 SLUB Deutsche Fotothek)

Chronik des Gebäudes

um 1823

Neuaufbau eines Giebels

Bestätigung des Alters eines Deckenbalkens im Obergeschoss durch dendrochronologische Untersuchung: Winterfällung 1822/23

1874

Genehmigung zum Einbau einer Esse

1920

Beantragung der Installation von elektrischem Licht durch die Mieter Böttcher; Ablehnung durch den Gemeinderat „in Rücksicht auf den minderwertigen baulichen Zustand des Hauses“

1922

erneuter Antrag wegen des elektrischen Lichts; Bewilligung von drei Brennstellen durch den Gemeinderat

1923

Mietfestsetzung Gemeindehaus auf 2.500 Mark und  Zins für Nutzung des Gemeindebrunnens bei 300 Mark jährlich

1948

Gemeinde genehmigt, dass Mieter Paul Böttcher den Rasenplatz vor dem Haus auf eigene Kosten einzäunen darf

1962

Verkauf des Gebäudes durch die Gemeinde Milkau an Herbert Böttcher; Grundstück bleibt Volkseigentum

1965

Baugenehmigung für den Anbau eines Geräte- und Abstellraumes an das Wohnhaus

1965/66

Ausbau und Umbau des Hauses (neue Fenster, Entfernung des Fachwerks)

1966

Verleihung eines unentgeltlichen und unbefristeten Nutzungsrechts für das volkseigene Grundstück

1982

neuer Dachstuhl

1992

Einbau einer Nachtspeicherheizung

1993

Verkauf des Grund und Bodens von der Gemeinde Milkau an Herbert und Luise Böttcher

1997

Verkauf von Haus und Grundstück durch die Erbengemeinschaft Böttcher an heutige Eigentümer

1997-99

Modernisierungsmaßnahmen (Elektrik, Fliesen, Treppe, Heizungserweiterung

2009

Einbau von neuen Fenstern und neuer Haustür; Dachneueindeckung; Solaranlage zur Warmwasserbereitung; Wärmedämmung

Zeichnung für den Schornsteineinbau 1874
Foto des Armenhauses aus dem Jahr 1936

Kurioses

Bei unseren Umbau- und Modernisierungsarbeiten fanden wir bisher insgesamt 6 Briefe, die Herbert Böttcher in Haus und Garten für die „Nachfolger“ im Zeitraum 1966 bis 1993 hinterlassen hatte. Er berichtete darin über stattgefundene Baumaßnahmen im und am Haus, über seine Familie und die weltpolitische Lage. Meist lagen den Briefen Fotos, Münzen und andere kleine Dinge bei. Je nach Aufbewahrungsort (z.B. auf Zimmerdeckenbalken oder unter Küchendielen in feuchtem Erdloch) waren die Briefe in mehr oder weniger gutem Zustand, aber alle noch lesbar.

So haben wir als heutige Bewohner des ehemaligen Armenhauses das Gefühl, dass uns Herbert und Luise Böttcher auch ein wenig an ihrem Leben teilnehmen ließen, obwohl wir uns leider nie trafen.

Familie Wittke

Ida Böttcher vor dem Haus
Hilde (Tochter von Paul und Ida Böttcher)
Ida Böttcher
Hausansicht in den 1970er Jahren
Foto von 1974
Briefauszug von Herbert Böttcher
Luise und Herbert Böttcher (1960er Jahre)

Quellen

Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20105 Gerichtsamt Rochlitz, Amtshauptmannschaft Rochlitz, Nr. 1112

Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20005 Ältere Amtshauptmannschaften des Leipziger Kreises, Nr. 1319, 1385

Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20403 Rittergut Großmilkau (Patrimonialgericht), Nr. 095

Kreisarchiv Mittelsachsen, Standort Wechselburg, Waldstr. 2, 09306 Wechselburg, Bestand Bauakten