Die Winterschänke in Neugepülzig

Kurzinfo

Nachdem Hans Joachim Graf von Wallwitz 1733 das Rittergut Gepülzig gekauft hatte, ließ er 1750 diesen Gasthof errichten, den er offensichtlich nach seinem Wappentier, einem springenden Hirsch, „Zum Tannenhirsch“ oder später „Zum Roten Hirsch“ benannte. Dieser Name hat sich jedoch nie eingebürgert. Der Gasthof wurde bekannt als „Winterschänke“.
11 Besitzer betrieben in 262 Jahren den Gasthof. Ab den 1840er Jahren war er auch Sitz von 6 Vereinen.
Nach 167 Jahren in Familienbesitz endete im Jahr 2012 die Bewirtschaftung als Gasthaus & Pension „Winterschänke“

Schildtext

Ehemalige Gaststätte
Winterschänke

1750 erbaut unter dem Namen
“Gasthof zum rothen Hirsch”,
bereits 1828 in einer
Kaufurkunde benannt als
“sogenannte Winterschenke”,
bis 2012 ununterbrochen als
Gastwirtschaft betrieben

Visitenkarte des letzten Betreibers
Schildstandort

Detailinformationen

Die Winterschänke

oder auch Gasthof „Zum Roten Hirsch“, genannt Winterschenke, wie auf alten Fotos noch zu erkennen ist, ließ der damalige Rittergutsbesitzer Graf Hans Joachim von Wallwitz im Jahre 1750 „an der Mittweidaischen Straße auf seines Rittergutes Grund und Boden“ errichten. Den Ort Neugepülzig gab es da noch nicht, wenngleich bereits seit 1724 fünf Häuser an der Straße nach Mittweida standen. Der Ortsname Neugepülzig wird erst am Anfang des 19. Jahrhunderts gebräuchlich.

Gleich nach Gründung des Gasthofes kam es zu einem heftigen Bierstreit des Besitzers Hans Joachim von Wallwitz mit der Rochlitzer Brauerschaft, weil er Lichtewalder Weißbier einlegen und verzapfen ließ.

Gasthof „Winterschänke“ aus Richtung Mittweida gesehen, interessant sind auch die beiden Tanksäulen, die der Firma Shell mitten auf dem Hof der Winterschänke, 50m weiter die der Firma Esso vor der Neugepülziger Schmiede
Dieses Schild befindet sich über der Haustür der Winterschänke

Der Gasthofnamen „Zum Roten Hirsch“, Wappentier derer von Wallwitz, bürgerte sich nie ein. Aber auch die Entstehung des Namens „Winterschenke“ lässt sich nicht eindeutig nachweisen. Mündliche Überlieferungen besagen, dass mit der Erweiterung der Fahrpostlinien Anfang des 19. Jahrhunderts die Postkutschen auch 3x täglich in der Winterschenke hielten und die Fahrgäste sich anfangs nur im Winter in der Gaststube aufwärmen und stärken konnten, nur im Winter wurde „ausgeschenkt“. Auch die erste urkundliche Erwähnung des Namens „Winterschenke“ am 1. Dezember 1828 unterstützt diese Auffassung.

Nach der Aufhebung des Frondienstes ab 1838 entstanden immer mehr Vereine, die ihren Sitz meist in Gasthöfen hatten. Von der „Winterschenke“ sind bekannt:

  • die Privilegierte Schützengesellschaft zu Neugepülzig, gegründet im Jahre 1839
  • der Landwirtschaftliche Verein Neugepülzig
  • der Bienenzüchterverein Neugepülzig
  • der Königlich Sächsische Militärverein Neugepülzig
  • der Radfahrverein Wettin, Winterschenke
  • die Casinogesellschaft zur Winterschenke
Danktelegramm an die Sächsische Schützengesellschaft Neugepülzig vom 26.5.1914 um 9 Uhr 30 min, Text : Seine Majestät der König lassen für die übersandten Glückwünsche allerhöchst seinen Dank aussprechen. v. Schweinitz, Hauptmann kdt. als Flügeladjutant
Abzeichen des Sächsischen Militärvereins Neugepülzig
Banner des Radfahrvereins "Wettin" Winterschänke
Banner des Radfahrvereins "Wettin" Winterschenke
Vorderseite der Fahne des Königlich Sächsischen Militair Vereins Neugepülzig (verwahrt im Militärhistorischen Museum Dresden)
Fahnenrückseite
Fahnenstange

Als Wirte kommen darauf vor :

  • 1750 Johann Michael Silmann, Gastwirt aus Gepülzig
  • 1759 Carl Friedrich Schweinitz, Schankwirt auf der Schenke zu Gepülzig
  • 1789 Carl Ernst Piegner, Gastwirt im „Gasthof zum rothen Hirsch“, Besitzer eines Bauerngutes in Erlau
  • 1802 George Traugott Wagner, wird in einem Aufgebot als “Besitzer des Gasthofs zum rothen Hirsch in Gepülzig” genannt
  • 1828 Johann Gottfried Bohne empfängt am 1. Dezember den „Rothen Hirschen“, die sogenannte „Winterschenke“, zu „Lehn und Würden“
  • 1846 Christian Gottlob Köhler, Seilermeister aus Frohburg kauft den Gasthof
  • 1863 Carl August Eulitz, Ökomom aus Oberthalheim übernimmt als Schwiegersohn des Köhler den Gasthof am ersten November
  • 1865 Friedrich Paul Eulitz übernimmt als Sohn den Gasthof am ersten Juli
Paul Eulitz im Kreise seiner Familie (ca. 1910)
Ansichtskarte um 1910
Ansichtskarte etwa 1910

Erst 1925 – 26 wurde die Straße, die bis dahin durch die Winterschänke hindurch verlief, außen vorbeigeführt, weil der Bus nicht durch die Torbögen passte.

  • 1928 Oskar Arthur Eulitz, Sohn des Vorhergehenden übernimmt am sechsten März den Gasthof
Fam. Arthur Eulitz (um 1940)
historische Aufnahme vom Saal
Bus vor der Winterschänke
  • 1958 Irene Hertha Grundmann, geborene Eulitz, übernimmt von ihrem Vater den Gasthof

Die Besitzer der Gasthöfe in den Dörfern unserer Region konnten meist von deren Bewirtschaftung allein nicht leben, sodass noch eine weitere Einnahmequelle erforderlich war. Oftmals war eine Schmiede oder, wie hier bei der Winterschänke, die Landwirtschaft das „zweite Standbein“. Immerhin 12.ha landwirtschaftliche Nutzfläche gehörten hier zum Gasthof. Vom Hausflur des Wohnhauses ging man nach links in die Gaststube, nach rechts in den Kuhstall. Die Hühner-, Pferde- und Schweineställe waren in den Nebengebäuden untergebracht. Die Arbeit in der Landwirtschaft bestimmte also in der Hauptsache den Arbeitsalltag.

Irene Grundmann auf dem Hof der Winterschänke
Irene und Roland Grundmann (1973)

1960 führte auch hier kein Weg am Beitritt zu einer Genossenschaft vorbei. Erst 1971 – 72 wurden die letzten Rinder aus dem Kuhstall verbannt und der Ausbau zum reinen Gaststättenbetrieb mit Vereinszimmern konnte erfolgen.

  • 1991 Gisela Liedtke, geborene Grundmann, und ihr Mann Dieter Detlef Liedtke übernehmen den Gasthof und setzen die Familientradition fort.
  • 2012 Am Jahresende gehen die Wirtsleute in den Ruhestand und stellen den Gasthof zum Verkauf.
  • 2017 Das Objekt ist verkauft und wird nun als Wohnhaus genutzt.
Irene Grundmann im Stall der Winterschänke (1959)
Gaststätte "Winterschenke" 2006

Die Geschichte des Gasthofs Zum rothen Hirschen“ genannt „Winterschenke“

Unter dem Titel Geschichte des Gasthofes „Zum rothen Hirschen“ fertigte der Lehrer Richard Schrader eine besondere Art der Chronik an. Leider ist nicht nachweisbar, wann das erfolgte. Aber es könnte so in der Zeit von 1920 bis 1930 erfolgt sein. Es handelte sich vermutlich um ein Geschenk an den damaligen Wirt Paul Eulitz, mit dem Richard Schrader offenbar gut harmonierte.

Gaststube in der Winterschänke mit Originalbild von Richard Schrader
Geschichte der Winterschänke
Richard Schrader (1880-1947), Lehrer und Heimatforscher in Naundorf

Das mit einem braunen Holzrahmen versehene und unter Glas befindliche Bild besteht aus Pappe mit den ungefähren Maßen 40×90 cm. Auf ihm hat Richard Schrader mit Feder und schwarzer Tusche sowohl geschrieben als auch gezeichnet. Das Bild ist in der Höhe dreigeteilt:

Im oberen Teil sind Pferdegespanne mit Postkutsche und Planwagen sowie das Gasthaus gezeichnet. Im mittleren Teil ist über die gesamte Bildlänge der Titel in Blockbuchstaben gezeichnet. Der untere Teil zeigt fünf nebeneinander angeordnete Segmente mit der handgeschriebenen Geschichte des Gasthofes.