Niedermühle (Walthermühle)

Schildtext

Niedermühle (Waltermühle)

1562 urkundlich erwähnt. Ursprünglich als Mahl-, Öl- und Sägemühle betrieben. 1936 abgebrannt und nach Neubau Mühlbetrieb bis 1938.

Detailinformationen

Herr Gerhard Walther wurde in der Sachsendorfer Niedermühle geboren. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er hier. Seine „Erinnerungen an die Niedermühle“ hat er 2006 aufgeschrieben. Ein Auszug daraus wird untenstehend wiedergegeben.

Gerhard Walther absolvierte an der Freiberger Bergakademie ein Studium zum Diplom-Bergbauingenieur. Gemeinsam mit dem Milkauer Ortschronisten Gerhard Reichel schrieb er 2009 seine Nachforschungen zu „1675 Bergbau an der Niedermühle“ nieder.

Ein Dankeschön geht an Frau Susanne Walther für die Veröffentlichungsgenehmigung der Unterlagen ihres 2020 verstorbenen Ehemannes Gerhard Walther.

Gerhard Walther (1929 - 2020)
Walthermühle 2012

Auszug aus „Erinnerungen an die Niedermühle“ von Gerhard Walther

„Am zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1929 wurde ich in der Niedermühle geboren. Nach dem Tod meines Großvaters besaßen meine Eltern und meine Großmutter als „Ernst Walthers Erben“ diese Mühle. Es waren sehr schwere und aufregende Jahre. Trotz aller Wirren und Probleme sorgten sie aber dafür, dass ich heute noch gern an die Zeit in der Niedermühle denke, die ich dort bewusst erlebt habe.

Das Foto rechts wurde vermutlich im Sommer 1932 oder 1933 vom Heidenberg aus aufgenommen. Mein Vater, meine Mutter und ich sitzen vor der Haustür.

Rechts neben dieser Tür sind die kleinen Stallfenster und der untere Teil der Hühnerleiter zu erkennen. Die linke Tür im Hauptgebäude ist der Zugang zur Mühle.

Über dem Erdgeschoß hängt am Fächerrahmen fast auf der gesamten Länge des Gebäudes eine Welle.

Am linken Bildrand kann man einen Teil des Schuppens und den davor liegenden Hundezwinger ausmachen. Den Hintergrund zwischen Hundezwinger und Hauptgebäude bilden die zur Niedermühle gehörende Wiese, das Ufer des Aubachs, Looses Wiese und die Trasse der Eisenbahn.

Die vorbeiführende Straße mit einem Teil des Anstiegs zur Teichkrone, der Mühlenhof und die dem Hauptgebäude vorgelagerte „Heiste“ setzen sich deutlich voneinander ab. Der weiße Fleck am linken Straßenrand sind Reste unseres Sandhaufens.

Am rechten Bildrand zwängt sich die Straße zwischen dem Nordgiebel der Scheune und dem Fuß des Heidenberges hindurch.

Niedermühle vor dem Brand (etwa 1932/33)

Das Hauptgebäude, die Scheune und ein Schuppen der alten Niedermühle reihten sich U-förmig um den zur vorbeiführenden Straße offenen Hof. Außerhalb dieses Komplexes lag ein Seitengebäude. Eine Einfriedung dieses „Ensembles“ gab es weder zum angrenzenden Grasland noch zur Straße, von der man ohne Schwierigkeiten in den Mühlenhof gelangen konnte. Aber ein Schäferhund, später ein Jagdhund,  sorgte dafür, dass sich niemand unbemerkt bei uns einschlich. Auch der unmittelbar an der Straße liegende Mühlteich war nicht gegen unbefugte Handlungen gesichert.

Die Decke des Mühlenhofes bestand wie die der Straße aus fest gewalztem Schotter und Sand. Diese ging vor dem Hauptgebäude in die „Heiste“ über, ein ca. zwei Meter breites Pflaster aus Pennaer Schieferplatten. Heiste und Mühlenhof wurden jedem Sonnabend mit einem Straßenbesen gefegt.

Wohnung, Mühle und Stall zwängten sich unter das drückende Satteldach des in ländlicher Fachwerkbauweise (fränkische Bauweise) errichteten Hauptgebäudes. Auf den Natursteinmauern des Erdgeschosses ruhte der mit einer Stampfmasse aus Lehm und Stroh ausgefüllte wuchtige Holzfächerrahmen. Wie damals in der Region üblich, hatte man das Gebäude mit schweren silberglänzenden Pennaer Schieferplatten eingedeckt. Zwei übereinander liegende Reihen von Gauben  brachten Licht  und Luft unter das Dach, in das vermutlich noch eine Zwischendecke eingezogen war.

Vom Mühlenhof führte eine mit den Jahren etwas klapprig gewordene Tür, rechte Tür, in den mit sauber verfugten Schieferplatten und Ziegeln ausgelegten geräumigen Hausflur. Hier standen ein gemauerter Kessel und die Geräte zur Verarbeitung der Milch. Dazu gehörten der Separator zum Trennen der Sahne von der frisch gemolkenen Milch, das von Hand zu drehende Butterfass, eine hüfthohe auf drei Beinen stehende runde hölzerne Wanne zum Auswaschen der Butter (von uns Butterständer genannt), der zur Quarkherstellung benötigte Quarkständer und die Melkeimer.

Rechts neben dem Flur und von diesem zu erreichen, lag der Kuhstall mit Hühnerhort (Hühnerstall). Unter dem Hühnerhort hielten wir die Schweine. Auf dem Bild sind die kleinen Stallfenster und die Hühnerleiter deutlich zu erkennen.

Im Hausflur befand sich auch der Zugang zum Hauskeller, zur Küche und zum „Gewölbe“. In dem kühlen „Gewölbe“ bewahrten wir die Nahrungsmittel auf, die wir nicht in den noch kühleren Hauskeller schaffen wollten.

Mittelpunkt der Küche war der damals übliche gemauerte Küchenherd mit eingebauter Wasserpfanne. Brannte der Ofen, dann gab es auch immer warmes Wasser. Geheizt wurde mit Reisig, Holzscheiten und Braunkohlenbrikett.

Zum Frühstück, zum Mittagessen, und zum Abendbrot trafen sich alle, auch die Müllergesellen, am Küchentisch. Am Nachmittag wurde an diesem Tisch auch Kaffee getrunken. Es gab Kaffeeersatz aus Roggenkörnern eigener Röstung „verfeinert“ mit Milch und dazu meist eine „Fettbemme“ (Brot mit Schweineschmalz).

Durch die Küche musste bei uns auch der „Essenkehrer“ (Schornsteinfeger). Wir öffneten dann die ca. einen Meter hohe eiserne „Essentür“, durch die er ins Innere des Schornsteins kroch. Danach kletterte er, Schritt für Schritt in den ausgesparten Trittlöchern Halt suchend, nach oben und kratzte dabei den Ruß von den Schornsteinwänden.

Vor der offenen Schornsteintür saß auch immer meine Mutter, wenn sie Kaffeeersatz herstellte. Über einem offenen Holzfeuer drehte sie dann fleißig die kleine Rösttrommel mit den Roggenkörnern.

Nur von der Küche aus gelangten wir in die „gute Stube“, in der wir uns an den Wochentagen nur selten aufhielten.

Das „Kontor“, der Raum zur Abwicklung der geschäftlichen Angelegenheiten, hatte einen Zugang sowohl von der Küche als auch von der Mühle.

Im ersten Stock lagen zu beiden Seiten eines mir endlos erscheinenden dunklen Ganges unsere Schlafzimmer und die der Müllergesellen. Weitere Zimmer, an deren Nutzung ich mich nicht erinnern kann, wurden nach der bei der Vorrichtung verwendeten Leimfarbe benannt. Wir hatten eine „grüne Stube“, eine „blaue Stube“ u. a. Die Leimfarbe an den Wänden wies noch deutlich die Pinselführung des Malers auf. Meine Großmutter erklärte mir einmal, es sei ein „Fixmaler“ am Werk gewesen.

Hier oben war auch die Räucherkammer zu finden, eine für das Hausschlachten unentbehrliche Einrichtung, in der es immer nach frischer Räucherware roch.

Der Teil des Hauptgebäudes, in dem Wohnung und Stallung integriert waren, verlief parallel zur Straße in Ost – West – Richtung, der Mühlenteil in Nord – Süd – Richtung.

Der Eingang zur Mühle erfolgte für Kunden vom Hofe aus  durch die o. g. linke Tür. Eine einfache Turbine bewegte hier bis unter das Dach einen Wirrwarr von Wellen, Rädern ( einige noch aus Holz) und ledernen Treibriemen, die wiederum den Schrotgang mit den schweren Mahlsteinen, die Mahlstühle, Elevatoren und Schneckenförderer sowie das hin und her rüttelnde Mehlsieb („Plansichter“) antrieben. Ich staunte immer über die Geschicklichkeit des Müllers beim Ein- oder Ausrücken des Leerlauf- bzw. des Lastrades der Maschinen. Von Hand drückte er mit einem blanken Holzknüppel den laufenden Treibriemen auf das gewünschte Rad.

Einen Fahrstuhl, mit dem der Müller von Etage zu Etage auf- und abwärts flitzte oder die Mehl- oder Getreidesäcke von oben nach unten oder umgekehrt bewegte, gab es nicht. Das besorgte eine unter dem Dach montierte Winde, an deren Kette wir die Säcke anschlugen. Bei morschem Gewebe konnte es schon vorkommen, dass ein Sack von der Kette abriss, nach unten sauste und mit dumpfem Knall aufschlug, bei Mehlsäcken natürlich mit dichter Staubwolke.

Zeichnung des Mühlengeländes im Zustand vor dem Brand
Lieferfahrzeug der Walthermühle

Im August 1935 brannte das Hauptgebäude der Niedermühle bis auf die Grundmauern nieder. Zu dieser Zeit befand ich mich mit meiner Mutter im Ostseebad Brunshaupten-Arendsee, heute Kühlungsborn.

Eines Tages besuchte uns mein Vater. Ich erinnere mich noch daran, wie er nach einer langen Fahrt mit eigenem PKW in seiner schwarzen Breecheshose (Reithose) und mit schwarzen glänzenden Stiefeln in einem Sessel saß. Es ging sehr ernst zu. Der Mühlenbrand war wohl der Grund seines Kommens. Entweder hat man mir davon zu dieser Zeit nichts gesagt, oder die täglichen Eindrücke am Strand ließen alles andere vergessen. Ich kann mich nicht daran erinnern, ob wir sofort mit meinem Vater zurück gefahren sind, oder später mit der Eisenbahn. Wir wohnten nun vorübergehend in der Obermühle in Döhlen.

Vom Hauptgebäude mit Wohnung, Stall und Mühle standen nur noch die Grundmauern aber der Schuppen, die Scheune und das Seitengebäude blieben unversehrt. Als ich zum ersten Mal die verkohlten Balken und den Haufen aus Lehm, Sand, Steinen und Dachschiefern sah, hat das mich nicht besonders berührt. Das änderte sich aber, als ich in einer Ecke die Überreste meines Dreirades fand. Nur ein ausgeglühtes Drahtgerippe stand dort. Alles Brennbare an ihm war verbrannt.

Hier lagen auch die Relikte meiner schönen Dampfmaschine, ausgeglüht und platt gedrückt der Dampfkessel, der Schornstein, der Antrieb mit Schwungrad und Zylinder sowie die metallene Grundplatte. Von dem dazugehörige n Maschinenpark mit Transmissionen, Windmühlen, ein Wasserrad, ein Schlosser mit Funken sprühendem Schleifstein (alles Blechspielzeug) existierte nichts mehr.

Niemand konnte etwas über die Brandursache sagen. Man vermutete ein heiß gelaufenes Lager. Kurzschluss kam ja nicht in Frage, da die Niedermühle nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen war, und wir damals selbst noch keinen Strom erzeugten. Der Brandherd muss wohl längere Zeit unbemerkt geblieben sein.

Später hat man mir erzählt, dass alle beim Mittagessen saßen, als der Lokführer des vorbeigefahrenen 12.00 Uhr – Zuges von der Haltestelle „Obstmühle“ anrief und fragte: „Hat denn noch keiner bemerkt, dass bei euch der Dachstuhl brennt?“ Da war aber alles schon zu spät.

Brandruine der Niedermühle im August 1935

Das Bild rechts zeigt die Endphase des Wiederaufbaus. Auf der Wiese im Vordergrund laufen noch Aufräum- und Planierarbeiten.

Die Grube am Hang des Heidenberges wurde  für  das Wohnhaus  ausgehoben. Vor dem Gebäude der Mühle liegt die Garage. Hinter der schmalen Tür verbirgt sich der neue Abort.

Zwischen den beiden Fensterreihen am Südgiebel der Mühle setzt sich der vorbereitete Putz für die noch aufzubringende Inschrift „Walther Mühle“ ab.

Der kleine Anbau rechts neben der Garage ist das Turbinenhaus.

Rechts vom Turbinenhaus befindet sich auf Talniveau das neue Motorenhaus, überragt vom Obergeschoss des Seitengebäudes.

Dem Mühlenhof vorgelagert ist der Hausgarten mit Gartenzaun.

Blick auf die Niedermühle nach dem Wiederaufbau ca. 1936

Am linken Bildrand steht auf dem Niveau der ansteigenden Straße noch das Oberteil eines alten Eisenbahnwaggons.

Dahinter liegt das Obergeschoss des Seitengebäudes mit dem Tor zur Rolle und zum Lager für Brennmaterial (z. T. durch einen Baumstamm verdeckt).

Das schwarze Rechteck über dem Waggondach ist die Einwurfluke zum Steinkohlenlager.

Zwischen Seitengebäude und Mühle kann man einen Teil des Motorenhausdaches erkennen. Nicht identifizieren lassen sich die von dem Dach ausgehenden schwarzen vertikalen Markierungen. Es kann sich um Abgas- und Ansaugrohre des Motors und des Generators handeln.

Blick auf die Mühle nach dem Wiederaufbau

Der Zugang zu unserer provisorischen Wohnung lag im Nordgiebel des Gebäudes. Vom Mühlenhof gelangten wir über drei Stufen auf die Heiste und durch die Tür unmittelbar in die Wohnküche. Das Fenster daneben markiert das Zimmer meiner Großmutter. Der alte Waggon verschwand kurze Zeit nach dieser Aufnahme.

Das einzige Fenster der Wohnküche liegt links im Erdgeschoß. Das Fenster links neben der Rampe gehört zum Kontor.

1938 wurde es für „Ernst Walthers Erben“ immer schwieriger, die neue Mühle voll auszulasten und den Forderungen der Kreditgeber nachzukommen.

Eines Tages vermisste ich unseren schönen blauen Büssing NAG. Die wenigen Transporte hatte ein Altwarenhändler aus Noßwitz mit seinem LKW für uns übernommen.

Kurz danach wurde die Zwangsversteigerung beantragt. Ich sehe heute noch meinen Vater mit ernstem Gesicht in unserer Wohnküche stehen, als er das meiner Mutter und meiner Großmutter mitteilte. Begriffen habe ich damals noch nicht, um welchen Vorgang es sich hier handelt und welche Konsequenzen dieser für uns haben wird.

Mitte November 1938 mussten wir die Mühle verlassen. Unsere Habseligkeiten fuhr der Altwarenhändler nach Hermsdorf. Hier hatten wir eine vorläufige Bleibe beim Bruder meiner Mutter gefunden. Mein Vater befand sich bereits auf dem zweiten Flugzeugführerlehrgang in Breslau.

1939 brach in der Niedermühle erneut ein Feuer aus. Das Motorenhaus und das Seitengebäude wurden in Mitleidenschaft gezogen. Anlässlich eines Schulfluges nach Jena überflog mein Vater mit der Junkers W34 den Ort des Brandes. Auf einer Karte, die er uns aus Jena schickte, steht u.a.: ‚In Sachsendorf sieht es noch ziemlich abgebrannt aus‘.“

Blick auf das Hauptgebäude nach dem Wiederaufbau

Weitere Informationen finden sich in der Mühlendatenbank von Herrn Thomas Liebert aus Lunzenau unter http://www.ahnenforschung-liebert.de/pdf/muehlenlebenslaeufe.pdf. Diese basiert auf einer Recherche im Rahmen einer AB-Maßnahme in den Jahren 2000/2001 unter Leitung des Heimat- und Verkehrsvereins Rochlitzer Muldental e.V.

Informationen zur Niedermühle in der Mühlendatenbank:

http://www.ahnenforschung-liebert.de/pdf/muehlen/muehlen_sachsendorf_niedermuehle.pdf