Kühnrichs Gasthof

Schildtext

Hier stand Kühnrich´s Gasthof, der einzige konzessierte Gasthof in Erlau ab 1843.

In der Nacht vom 31.10. zum 01.11.1908 brannte er ab.

Er befand sich nahezu 100 Jahre im Besitz der Familie Kühnrich.

Der gegenüberliegende Kaiserhof wurde 1910 in den Garten von Kühnrich´s Gasthof gebaut.

Detailinformationen

Wie in fast jeder ländlichen Gemeinde gab es diverse Standorte von Gasthöfen, Schänken und ähnlichen Einrichtungen.

Nach dem Brand in Kühnrichs Gasthof hat sich die Gegend massiv verändert. So befand sich ursprünglich ein Sportplatz hinter dem heutigen Sachsenhof (Kaiserhof), der mittlerweile dem Parkplatz weichen musste.

Auf dem Boden der ehemaligen Gastwirtschaft befindet sich mittlerweile ein als Wohnhaus genutztes Gebäude, welches einmal als Bäckerei von der Familie Naumann genutzt wurde. Im Garten dieses Grundstücks steht auch das Heimatschild.

links ehem. Standort von Kühnrichs Gasthof, rechts der später gebaute Sachsenhof (Kaiserhof)

Historische Eckdaten zum oberen Gasthof in Erlau

  • 1681 Georg Dehne (unklare Aktenlage)
  • 31.07.1714 Michael Dietze, vermutlich schon eine Schänke
  • 23.06.1750 Andreas Kreßner; Gasthof nachweisbar (STA Leipzig, 20017 Amt Rochlitz Nr. 2073)
  • 03.06.1769 Johann Gottlieb Herfter (Schwiegersohn von Kreßner)
  • Nach dem Tod von Johann Gottlieb Herfter kauft seine Ehefrau Christiane Regine, verwitwete Herfter das Bauerngut mit Schankgerechtssame (Gastwirtschaft).
  • Christiane Herfter heiratet in zweiter Ehe Johann Gottfried Kühnrich. Die Familie Kühnrich erweitert mit Erfolg die Gastwirtschaft.
  • Weitere Besitzer aus der Familie in der Folgezeit; Robert Kühnrich, Friedrich Emil Kühnrich, Ab 1904 Kühnrichs Erben

Am 12. April 1907 kehrt seine Majestät König Friedrich August III. in Kühnrichs Gasthof, empfangen von den Honoratioren der Gemeinde Erlau sowie den Schulkindern, ein.

historische Abbildung von 1856
historische Abbildung von 1899
Werbung im Mittweidaer Adressbuch von 1891

Anfang November 1908 vernichtet eine Brandkatastrophe das gesamte Anwesen. Personen kommen nicht zu Schaden. Die Familie Kühnrich beginnt mit der Veräußerung aller noch in ihrem Besitz befindlichen Flurstücke:

  1. An der Mittweidaer Straße entstanden drei Gärtnereien:
    Gärtnerei Vogel, später Otto
    Gärtnerei Knebel, dieser verkauft 1906 an Heinrich Hofmann, ab 1923 Erwin Hofmann
    Gärtnerei Leder, später Reinhard
  2. die Wäschefabrik Liebe und Böhme
  3. das Bauerngut Michael, Georg
  4. die Gaststätte Kaiserhof: Bereits 1909 beantragte Herr Spitzner das Schankrecht für die neue Tanzgaststätte.
  5. Bäckerei und Café Schulze, ab 20.04.1920 Otto Naumann
Darstellung der Brandkatastrophe

Eine enge Verbindung zum Gasthof Kühnrich pflegten die Studenten am Technikum Mittweida. Der von Udo Steinberg, einem Berliner Studenten, mitgegründete Mittweidaer Ballspiel Club (M.B.C.) nutzt ab 1896 für seine Wettspiele den Sportplatz von Kühnrichs Gasthof. Udo Steinberg lebt später lange Jahre in Spanien und spielt für den FC Barcelona. Er schießt dabei die ersten Tore im sog. Clasico und ist als erster Trainer des FC Barcelona aktiv. Weiterführende Informationen finden sich in einer ausführlichen Biografie der Hochschule Mittweida (https://www.hs-mittweida.de/ru/print/webs/archiv/publikationen/zum-leben-und-wirken-von-udo-steinberg.html?Size=1) sowie bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Udo_Steinberg).

Weitere Informationen zu den Sportveranstaltungen und Aktivitäten in Kühnrichs Gasthof finden sich im Buch von Jürgen Kunath.

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Die Bäckerei Schulze entsteht am Standort des abgebrannten Gasthofes. Ab 20. April 1920 führt die Bäckerei Paul Naumann. Roland Naumann stellt den Backbetrieb um 1985 ein. Die letzte von 4 Bäckereien hat damit ihren Betrieb in Erlau beendet und ist heute ein Wohngebäude. Glücklicherweise existiert heute mit der Bäckerei Sachse ganz in der Nähe eine Bäckerei am Ort.

Foto der neu errichteten Bäckerei Schulze

Den Kaiserhof, ab 1954 Sachsenhof genannt (Hausnummer 98), erbaut Carl Richard Spitzner. Der Komplex besteht aus Gastwirtschaft, Vereinsräumen, Fremdenzimmern, Kegelbahn und Tanzsaal. Bereits 17 Monate nach dem Brand nimmt Gustav Richard Hammer die Bewirtschaftung des Kaiserhofes als Pächter mit Schankwirtschaft und Tanz auf. Die Pachtung endet bereits im Januar 1910. Ab 27. Januar betreibt Spitzner seinen Gasthof selbst. 1912 meldet Spitzner zusätzlich ein Baugeschäft mit Sitz in der Nr. 98 an. 1926 erweitert Spitzner seine Geschäftstätigkeit um einen Handel mit Radioapparaturen und deren Reparatur.

In Erlau werden ab Sep. 1927 drei Tankstellen betrieben: am Sachsenhof, wie das Foto zeigt (vermutlich bis 1950), am Sitz der Firma Lohse Nr. 98B, und von der Landmaschinenwerkstatt Kotte. Die Tankstellen Kotte und Lohse haben die MAS bzw. MTS bzw. LPG zur Versorgung der Traktoren mit Kraftstoff weiter verwendet.

Am 24. Dezember 1930 ersteigert die Burgstädter Brauerei den Kaiserhof. Diese verkauft bereits im April 1931 das Objekt an Richard Lehmann. Letztlich kommt der Kaiserhof, jetzt unter dem Namen Sachsenhof, nach weiteren Eigentümerwechsel in die Zuständigkeit der Gemeinde Erlau. Mehrere Pächter betreiben den Sachsenhof. Die Gemeinde Erlau organisiert alle 14 Tage im Saal eine Tanzveranstaltung. Die Besucherzahl ist abhängig vom Bekanntheitsgrad der Kapelle.

Abbildung des neu errichteten Kaiserhofes
Werbung für die Tankstelle am Kaiserhof

1967 bildet sich in Erlau ein Karnevalsverein, der jährlich im Januar Veranstaltungen durchführt. Bereits im 2. Jahr reichen die Karten nicht für den Besucheransturm. Die Veranstaltungen finden an 2 Tagen, und im darauffolgenden Jahr an 4 Tagen statt. Die erfolgreichen Faschingsbälle ohne Beteiligung der Staatsmacht lösen eine argwöhnische Beobachtung durch staatliche Stellen aus. Ein beabsichtigtes Motto „Wildwest in Erlau“, welches mehrere Vereinsmitglieder vorgeschlagen hatten, betrachtete die politische Administration in Rochlitz als Angriff auf die Staatsgewalt. Dem Vereinsleiter, der an der Mottofindung nicht beteiligt war, drohte man mit Schließung seines Gewerbebetriebes und dem Verbot der Veranstaltungen, wenn das vorgesehene Motto beibehalten werden sollte. Der Änderungsgrund durfte nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Das Motto wurde geändert. Eine Faschingsveranstaltung verlangt auch nach einer Büttenrede, die brisante Themen aufgreift. Das war auch in Erlau der Fall. Das Ergebnis riss den Büttenredner aus dem Glauben, dass ein Faschingsnarr auch unbequeme Wahrheiten aussprechen darf. Er wurde gemaßregelt und musste danach seine Vorträge zur Zensur vorlegen. Abänderungen wurden regelmäßig angeordnet. Letztlich gab der Büttenredner wegen dieser Bevormundung auf.

Fasching im Sachsenhof (1970er Jahre)
Fasching im Sachsenhof (1970er Jahre)

Bis 1976 finden Veranstaltungen im Sachsenhof statt.  Eine vorgenommene Prüfung der Baustatik des Saalbauwerkes ergab erhebliche Bauschäden. Der Saal musste gesperrt werden. Der Gemeinderat Erlau beauftragt Frau Bürgermeisterin Lippmann, ein Projekt zum Wiederaufbau in Auftrag zu geben. Der Bau beginnt um 1985 in Eigenleistung, d.h. Baubetriebe kommen nicht zum Einsatz.

1993 erwirbt Herr Mettendorf das Objekt. Der Bau wird fertiggestellt. Eine Disco nimmt den Betrieb auf. Nach kurzer, aber intensiver Betriebszeit mit teilweise an die 1000 Besucher und jeder Menge Ärger im gesamten Oberdorf endet der Disco-Betrieb. Über mehrere Jahre steht das Gebäude leer.

2017 übernimmt Herr Jedynak den ehemaligen Sachsenhof und richtet einen Betrieb für Lasertechnik ein.

Quellen:

Jürgen Kunath: Erlau – Impressionen aus der Gemeinde

Karl Rannacher – Artikel im Informationsblatt der Gemeinde Erlau vom November 2010

historische Adressbücher von Mittweida und Umgebung

Saalneubau 1980er Jahre (K. Rannacher)
Luftbild von 2005 (F. Ranft)