Die Lehdenhäuser in Neumilkau
Nach einem Artikel in der Rubrik „Was uns die Archive erzählen…“
erschienen im Informationsblatt der Gemeinde Erlau im Juli 2015
Ersterwähnung von Neumilkau
Das Wort „Lehde“ soll so viel wie „brachliegendes, naturbelassenes Land“ bedeuten.
Der Naundorfer Lehrer und Heimatforscher Richard Schrader schrieb in seiner Chronik vor mehr als einhundert Jahren: „Neumilkau wird vor 1720 urkundlich nicht erwähnt.“ Zu dieser Erkenntnis gelangte er vermutlich durch Einsicht in die Großmilkauer Kirchenbücher. Der erste Eintrag ist hier die Taufe von Jacob Zimmermann aus Neumilkau am 17. April 1720.
Wenn wir jedoch das älteste Kirchenrechnungsbuch aus dem Pfarrarchiv aufblättern, finden wir von Walpurgis (1. Mai) 1717 bis Walpurgis 1718 erstmals zwei Eintragungen zur Gottespfennig-Abgabe durch Andreas Helßig und Christian Goldammer aus Neumilkau. Diese Abgabe an die Kirche wurde zum Beispiel beim Abschluss von Kaufverträgen fällig. In der Auflistung sind noch weitere Eintragungen, z.B. aus Naundorf, zu lesen. Da vom dort zuständigen Rittergut Gepülzig die Gerichtsbücher aus der Zeit um 1718 noch vorhanden sind, lässt sich vermuten, dass die Eintragungen im Kirchenrechnungsbuch chronologisch aufgeschrieben wurden. Damit wären die ersten beiden Häuserkaufverträge von Neumilkau im Zeitraum Januar bis April 1718 getätigt worden. Im Folgezeitraum Walpurgis 1718 bis Walpurgis 1719 sind es sogar 5 Eintragungen aus diesem neu entstandenen Ortsteil.
Seit 1710 besaß Reinhard Friedrich von Schlieben das Kleinmilkauer Rittergut. Der Grund und Boden, auf dem Neumilkau entstand, gehörte dazu. Die Entstehung der Häusergruppe war für ihn von großem Nutzen. Die Häusler mussten ihm zu Diensten sein und Abgaben leisten. Verschiedene Handwerker, z.B. Leineweber, Maurer, Töpfer, Schneider, Schuhmacher, aber auch Landarbeiter, die auf den Rittergutsfeldern arbeiteten, wohnten hier.
Zu den Frondiensten und Abgaben gehörten nach einem beispielhaften Kaufvertrag aus dem Jahr 1760:
- drei Gulden Erbzins, halb an Walpurgis, halb Michaelis
- drei Stück Garn zu spinnen
- drei Hoftage, an denen alles getan und gegeben werden muss, was die Herrschaft verlangt
Nachfolgend besaß ab 1752 der Mittweidaer Bürgermeister Johann Gottfried Lorenz das Kleinmilkauer Rittergut. Im Verzeichnis über Frondienste und Abgaben der Untertanen von 1752 sind die Bewohner der Lehde unter dem Begriff „die neuen Häusler“ aufgezählt. Eine Karte aus dem Jahr 1754 zeigt hier das „Dorff Neu-Milckau“ bereits mit 17 Häusern. Auf anderen Karten des 18. Jahrhunderts taucht auch der Name „Lehdenhäuser“ auf.
Nach gegenwärtigem Recherchestand kann vom Jahr 1718 als dem Jahr der Ersterwähnung Neumilkaus ausgegangen werden.
Einige Fotos aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts:
Einige Informationen zur Familie Nitzsche, wohnhaft auf der Lehde, von Frau Lindau:
Meine Großeltern – Richard und Ida Nitzsche geb. Wolfram wohnten in einem kleinen Haus auf der Milkauer Lehde. Sie hatten elf Kinder.
Großmutter ging halbe Tage „ze Hofe“ auf dem Rittergut arbeiten, die Kinder bei Bedarf ebenfalls. Vati bekam mit 12 Jahren schon ein Ochsengespann für leichte Feldarbeiten, z.B. auf dem Getreidefeld mit dem großen Keschrechen liegengebliebene Ähren zusammenrechen.
Großvater war Maurer. Er arbeitete zeitweise in AltMittweida – zu Fuß ca. 12 km – 10 Std. Arbeitstag – zu Fuß nach Hause.
Wenn es keine Feldarbeit mehr gab, wurden Sitze geflochten. Dafür bekam man nur wenige Pfennige. Wahrscheinlich wurden die Sitze im Tragkorb transportiert. Arbeitgeber waren Stuhlfabriken in Geringswalde. Fußweg ca. 6 km!
Nach beendeter Schulzeit mussten die Kinder „zum Bauern“. Vati, geb. 1901, durfte zum Schönfelder Bäcker in die Lehre. Otto Benndorf, der Meister, hatte eine gelähmte Hand. Während des Krieges 1914-16 wurden nach und nach Gesellen und Benndorfs Söhne eingezogen, so hatten Meister und Lehrjunge alle Arbeit zu verrichten. Die Zentner-Mehlsäcke musste Vati 2 Treppen hoch auf den Mehlboden schleppen! Dadurch verformte sich die Wirbelsäule ein wenig. Sie machte später keine besonderen Beschwerden, aber Vati blieb dadurch vom Kriegseinsatz verschont.
Quellen
Pfarramt Milkau, Kirchstr. 6, 09306 Erlau, OT Milkau
StA Leipzig, Bestand 20436 Rittergut Kleinmilkau, Akten Nr. 53 und 55
Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20436 „Accurater Grundriss des Rittergutes Klein-Milckau“ von Johann Paul Trenckmann, Schweikershain, 1754
Meilenblätter von Sachsen, Berliner Exemplar, Blatt 121, Datierung 1799
Aufn.-Nr.: df_dk_0002121 Datensatz (color) Eigentümer: SLUB Dresden
Fotos:
- Alfred Lattke (†), Milkau
- Ute Michaelis, Milkau
- Thomas Wittke, Milkau (Luftbild)
- Heimatverein Milkau e.V. (Kalender 2015, Fachwerkhäuser)
- Annelies Lindau (†), Milkau/Eichstätt