Sagen und Geschichten in der Region

Die nachfolgende Auflistung ist auch als Kartendarstellung verfügbar.

In der Heimatschrift von Richard Schrader werden zu den einzelnen beschriebenen Ortsteilen folgende kurze Informationen zu mysteriösen Erscheinungen stichpunktartig festgehalten:

Großmilkau

In den Neiden erscheint ein Reiter ohne Kopf (Die Neiden sind ein Waldgebiet zwischen Großmilkau und Arras.).

An der Flurgrenze Gröbschütz/Großmilkau: Auf der Brücke hechelt eine Frau Fleisch.

Kleinmilkau

Auf dem Kratzweg nach Crossen geht ein Hase ohne Kopf um.

Bei der Pflaumenallee auf der Höhe nach dem Gepülziger Walde gehen Lichter um.

Richard Schrader (1880-1947), Lehrer und Heimatforscher in Naundorf
Deckblatt von "Unsere Heimat"

Neugepülzig

Auf dem Hausboden der „Winterschänke“ geht der Postillon um.

Auf der Rochlitz-Mittweidaer Straße erscheint eine gespensterhafte Postkutsche. Dies ist als Geschichte in der Sagensammlung des Landkreises Mittelsachsen veröffentlicht:

Der spukhafte Postwagen bei Seelitz

Ein Gutsbesitzer aus Mittweida fuhr einstmals noch spät am Abend von Rochlitz wieder nach Hause. Als er mit seinem Wagen über den „Wind“ bei Seelitz heraufkam, wurden die Pferde unruhig und der Hund verkroch sich unter den Wagen. Da bemerkte der Bauer zu seinem Schreck, dass aus der entgegengesetzten Richtung, und zwar auf der falschen Seite, im scharfen Trab ein Postwagen herankam. Es musste deshalb zum Zusammenstoß kommen. Da die Pferde nicht weiterwollten, stieg der Bauer ab und führte die Pferde. Da merkte er, dass der Postwagen nur neblige, unbestimmte Formen zeigte. Da rief er in letzter Sekunde voller Angst: ,,Alle guten Geister loben Gott!“ Da prallte das Postgeschirr zur Seite und verschwand krachend und polternd in den zur Seite der Straße tiefer liegenden Feldern. Aber bis zur „Winterschenke“ umkreiste ein gespenstisches „Etwas“ den Wagen, so dass die Pferde nur zitternd vorankamen und der Hund mit eingezogenem Schweif sich weiter unter dem Wagen versteckt hielt.

(Projekt „Sagenhaftes Mittelsachsen – Identität gemeinsam erschließen“ des Landkreises Mittelsachsen)

Dazu passt auch eine Strophe aus dem Gedicht „Der letzte Postillon“ von Joseph Viktor von Scheffel, die auch schon Richard Schrader zitierte:

Der Schimmel trabt, die Peitsche schwirrt,
Laut schmettert Posthornton,
Als Geist kommt durch die Luft kutschiert
Ein greiser Postillon.

(Quelle: Joseph Viktor von Scheffel: Kritische Ausgabe in 4 Bänden, Band 1, Leipzig/ Wien 1917, S. 64-65. http://www.zeno.org/nid/20005590752)

Gepülzig

Im Herrenhaus des Ritterguts erscheint die weiße Frau. Diese Art der Erscheinung wird oft beschrieben, siehe dazu Erläuterungen in diesem Artikel.

An der Gepülziger Kapelle erscheint ein Leichenzug.

Schönfeld

Am Schönfelder Berge nach Gepülzig in der Helle erscheint ein feuriger Hund ohne Kopf mit glühenden Augen und glühender Kette.

Naundorf

Am alten Vorwerk geht es um.

Auch wird von einem unterirdischen Gang erzählt, der von dem alten Vorwerk nach dem Rittergut Gepülzig führen soll.

Einer Sage nach war das Vorwerk ein Nonnenkloster und soll der Ort selbst Nonnendorf geheissen haben.
(Quelle: G. A. Ponicke. Album der Rittergüter und Schlösser des Königreichs Sachsen, Sektion I, Leipziger Kreis)

Gröblitzer Gasthof zum Wind (historische Ansichtskarte)
historische Ansichtskarte der Winterschänke
Leonhardskapelle im Winter 2010

Crossen

In der Nähe des Gasthofs „Zum Goldenen Hufeisen“ in Niedercrossen soll ein Kalb einem Mittweidaer Fleischer aufgehockt sein und ihn nicht eher losgelassen haben, bis er ein Vaterunser gebetet hatte.
(Anmerkung: das „Aufhocken“ ist eine weit verbreitete mythologische Erscheinung, siehe dazu diesen Wikipedia-Artikel).

Auf dem südlich von der Dorfstraße weitab vom Dorfe gelegenen Gute wandelt um Mitternacht eine feurige Kugel auf dem Dache.

Am Kuhteich erscheint die alte Spinnerin.

Am „Backenbernborn“ soll ein Fuhrmann samt seinen Pferden und einer ganzen Ladung gebackener Birnen versunken sein. Diese Geschichte hat erstaunlich viele Parallelen zur Sage vom Pflaumborn – siehe unten.

historische Ansichtskarte des Gasthofs "Goldenes Hufeisen" in Crossen

Die Sage vom Pflaumenborn wurde nach aktuellem Kenntnisstand erstmalig von Pfarrer Max Türk in seiner Chronik von Erlau niedergeschrieben.

Als einzig „richtige“ Sage aus unserer Gegend (neben dem Spukhaften Postwagen bei Seelitz, worin unsere Gegend aber im wahrsten Sinne nur am Rande vorkommt) hat die Geschichte vom Pflaumenborn auch Einzug in das Erlau-Lied von Giselher Günther gehalten.

Deckblatt der Chronik von Erlau (M. Türk, 1911)
Erste Innenseite der Chronik von Erlau (M. Türk, 1911)

Die Geschichte vom Pflaumenborn

Eine Waldsage mag hier noch ihren Platz finden:

Im unteren Pfarrholz befindet sich ein tiefer Waldquell mit reichlichem, dunklen Wasser. Von ihm geht die Sage, daß in alter Zeit, wo an der Stelle des jetzt noch vorhandenen Fußwegs ein Fahrweg die Crossen-Erlauer Grenze entlang geführt habe, ein Fuhrmann mit seinem mit Pflaumen beladenen Wagen bei Nacht und Nebel vom Wege abgeirrt, in das Wasser geraten und spurlos verschwunden sei. Daher trägt der Waldbrunnen bis auf den heutigen Tage den Namen „Pflaumenborn“.

Textauszug aus der Chronik von Erlau (M. Türk, 1911)

Das Steinkreuz bei Seelitz

An der Straße nach Zöllnitz befindet sich in der Ortschaft Seelitz ein Steinkreuz. Die darauf befindliche Ritzzeichnung wurde als menschliche Gestalt gedeutet, etwa ein Mönch oder als Geistlicher mit betenden bzw. segnenden Händen.

Über die Bedeutung dieses Kreuzes gibt es verschiedene Auffassungen. So meinen einige, es sei ein Stationskreuz, an dem die katholischen Prozessionen rasteten. Andere Erzähler sagen, dass hier einer der Pilger bestattet worden sein soll, da diese angeblich nicht auf den jeweiligen Friedhöfen hätten begraben werden dürfen.

Die Abbildung im Buch ‚Sagenhaftes Mittelsachsen‘ zeigt leider das falsche Sühnekreuz in Seelitz, denn dort gibt es sogar zwei dieser Relikte im Ort.

https://www.sagenhaftes-mittelsachsen.de/2017/11/17/das-steinkreuz-bei-seelitz/

Steinkreuz in Seelitz an der Straße beim Friedhof
Zeichnung des Steinkreuzes (Quelle: Steche, Richard: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen / 14 Amtshauptmannschaft Rochlitz /Seelitz, CC.Meinhold Söhne, Dresden, 1890,Seite 93 SLUB http://digital.slub-dresden.de/id308978242)

Erkenntnisse vom Heimatforscher Clemens Pfau aus Rochlitz:

Theesdorf

Bei der Schlagwiese (Flurgrenze zwischen Arras, Theesdorf und Großmilkau am Bachübergang) soll ein Hund ohne Kopf umgehen.

Sachsendorf

Im „Budsch“ am Fuße des Viehberges soll ein Hund umgehen.

An anderer Stelle (Döhlen) steht: Im Budsch (Grenze mit Sachsendorf  bei der Brücke) soll ein Hund umgehen.

Ein Hund mit glühender Kette soll im Tal an dem Bach (Grenze nach Aitzendorf) umgehen.

Die wüste Kirche bei Rochlitz (mit Bezug zu Milkau)

aus dem Sagenbuch des Königreichs Sachsen:

Bei dem Dorfe Zschauitz in der Nähe von Rochlitz befinden sich die Ruinen einer alten Kirche, von der man sagt, dass der Heilige Ludger, ein Schüler des Heiligen Bonifacius, sie erbaut habe.

Clemens Pfau schrieb dazu im Rochlitzer Tageblatt nebenstehende Erläuterungen zum damaligen Kenntnisstand. Diese Kapelle war dem Hl. Leonhard geweiht, was ggf. zu Verwechslungen mit der heute noch bestehenden St. Leonhards-Kapelle in Gepülzig (heute Naundorf) führte bzw. führt.

Gröbschütz Nähe Großmilkau

an der Brücke beim Heidelberg/Heydenberg (Steinbruch) erscheint ein Hund oder Pferd ohne Kopf

Zetteritz

Beim großen Teich soll es aufhocken. Siehe zur Thematik des „Aufhockens“ auch den zugehörigen Wikipedia-Artikel.

Gröblitz

Auf dem Galgenberg (Gröblitzer Flur) soll es umgehen.

Heimatforscher Prof. Clemens Pfau (1862-1945, Rochlitz)
Auszug aus dem Rochlitzer Tageblatt zur Zschauitzer Kapelle
Titelblatt der Publikation von C. Pfau
Galgenberg bei Rochlitz (auf Gröblitzer Flur), frühere Rochlitzer Richtstätte Foto: DDZ, 2010 Aufn.-Nr.: df_dk_0010001_4942_1933 Eigentümer: SLUB / Deutsche Fotothek

Quellen:

Clemens Pfau (1900): „ Topografische Forschungen über die ältesten Siedlungen der Rochlitzer Pflege“

Giselher Günther (2004): Zehn Jahre Erlau-Lied am 80. Geburtstag der Freiwilligen Feuerwehr Erlau 2004 / Gedanken zum Erlau-Lied (http://d-nb.info/1067267883)

Richard Schrader (1910): „Grundriß einer Heimatkunde der Parochien Großmilkau und Crossen und des Schulbezirks Zetteritz“

Max Türk (1911): „Chronik von Erlau – Separatabdruck aus der Neuen Sächsischen Kirchen-Galerie“

Sagenhaftes Mittelsachsen

Meiche, Dr. Alfred: Sagenbuch des Königreiches Sachsen, Leipzig 1903

Atlas der deutschen Volkskunde / neue Folge / auf Grund der von 1929 bis 1935 durchgeführten Sammlungen im Auftrag der Deutschen Forschungsgesellschaft/ Erläuterungen, Herausgeber Matthias Zender, N.G. Elwert Verlag Marburg 1982

Das Sagenbuch des Königreichs Sachsen, Dr. J. G. T. Grässe, 2. Auflage, 1. Band, Zentralantiquariat der DDR Leipzig 1980

Grundzüge der älteren Geschichte des Dorfes Seelitz und seiner Kirche, Clemens Pfau, Rochlitzer Tageblatt 1902, Nr. 12ff.)

„Sagenhaftes Mittelsachsen – Identität gemeinsam lebendig erschließen“ Sagensammlung Band 2 (Projekt in Trägerschaft des Landratsamtes Mittelsachsen gefördert vom Sächsischen Staatsministerium des Innern nach der Richtlinie zur Förderung der Regionalentwicklung (FR-Regio))